Geld statt Übernahme: Wie Turkish mit 275 Millionen Euro Air Europa fit macht
- Sven
- 16. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Air Europa bekommt eine Finanzspritze – und einen neuen, überraschenden Partner: Turkish Airlines will 27 Prozent der spanischen Airline übernehmen. Der Deal ist als Darlehen in Höhe von 275 Millionen Euro strukturiert, das nach behördlicher Freigabe in Eigenkapital umgewandelt wird. Für Air Europa ist das die Chance, den während der Pandemie aufgenommenen SEPI-Kredit von 475 Millionen Euro vorzeitig zu tilgen und die Bilanz zu entlasten. Für Turkish Airlines ist es ein strategischer Hebel in Spanien und Lateinamerika – zwei Märkte, die perfekt in die eigene Wachstumsagenda bis 2033 passen.

Warum ausgerechnet Turkish – und warum jetzt?
Der Poker um Air Europa hat sich zuletzt drastisch gedreht. Erst war IAG (International Airlines Group - u. a. Iberia & British Airways) jahrelang Favorit – bis der Konzern 2024 seine Übernahmepläne wegen Wettbewerbsbedenken aufgab. Air France-KLM stieg am 31. Juli 2025 aus Gesprächen aus. Auch Lufthansa sondierte zeitweise, fokussiert sich inzwischen jedoch auf andere Dossiers. Übrig blieb Turkish Airlines – mit einem Minderheitsdeal, der regulatorisch deutlich schlanker ist als eine Komplettübernahme, aber dennoch Zugang zum Netzwerk verschafft.
Kern des Plans: Ein verbindliches Angebot über 275 Millionen Euro, das Air Europa sofort Liquidität verschafft und nach Genehmigung in einen Anteil von 26 bis 27 Prozent umgewandelt wird. Firmenpatriarch Juan José Hidalgo spricht offen davon, die Airline damit als „nationale“ Gesellschaft zu stabilisieren – ohne weiteren Kontrollverkauf. Dass IAG weiterhin 20 Prozent hält, macht die neue Konstellation besonders: Air Europa bekäme mit IAG und Turkish zwei starke, aber unterschiedliche Partner an Bord – und bewahrt dennoch ihre Eigenständigkeit.
Strategisch passt das wie die Faust aufs Auge. Turkish Airlines ist globaler Hub-Champion mit XXL-Netz ab Istanbul, hat aber in Spanien und insbesondere auf den klassischen Madrid-Lateinamerika-Trassen noch Luft nach oben. Air Europa wiederum ist genau dort stark und verfügt über wertvolle Slots sowie eine gewachsene Präsenz in Barajas. Ein Minderheitsbeitritt eines Nicht-EU-Carriers wahrt zudem die EU-Ownership-Regeln – Air Europa bliebe europäisch kontrolliert, während Turkish die Anbindung ausbaut. Für Vielflieger könnte das mittelfristig mehr Auswahl bei Umsteigeverbindungen und potenziell wettbewerbsfähigere Preise bedeuten.

Lage & Anreise
Finanziell ist der Hebel offensichtlich: Die Mittel aus dem Turkish-Darlehen sollen helfen, den teuren SEPI-Kredit aus 2020 abzulösen. Der staatliche Rettungsrahmen war mit hohen Zinsen belegt und läuft maximal sechs Jahre; eine vorzeitige Rückzahlung entlastet die Gewinn- und Verlustrechnung spürbar. Air Europa hatte sich Ende Januar 2025 bereits Berater geholt, um das Kapital zu erhöhen und die Restschulden zu restrukturieren – Turkish liefert nun die schnelle Lösung und kauft sich im Gegenzug ein.
Wettbewerblich ist der Schritt eine Abkehr vom klassischen europäischen Konsolidierungsmuster „Big Three schlucken den Rest“. Statt in einer Allianz aufzugehen, bleibt Air Europa eigenständig – flankiert von einem starken, aber regulativ gedeckelten Investor. Für den Markt ist das nicht trivial: Eine vollständige Integration in IAG wäre in Madrid mutmaßlich mit massiven Auflagen verbunden gewesen. Der Minderheitsweg senkt das Risiko, hält aber die Option auf kommerzielle Kooperationen offen – etwa bei Codeshares, Interlining oder abgestimmten Zeitlagen. Welche Form das annimmt, hängt von den Auflagen der Behörden ab.
Netzwerkseitig winken schnelle Synergien: Turkish kann via Istanbul zusätzliche Zubringer auf Air-Europa-Langstrecken in Barajas lenken und umgekehrt Lateinamerika-Ziele nach Anatolien, Nahost, Afrika und Asien verlängern. Medien in Spanien sprechen von einem Puzzleteil in der 2033-Wachstumsstrategie von Turkish – Lateinamerika ist dort klar adressiert. Wichtig: Da Turkish als Nicht-EU-Airline keine Mehrheit halten darf, bleibt die Steuerung bei Globalia und dem bestehenden Aktionariat; gleichzeitig verteilt sich das Risiko auf mehrere Schultern. Für die Belegschaft und den Standort Madrid ist das Signal positiv: Stabilität statt Dauer-Bieterkampf.

Fazit
Der Einstieg von Turkish Airlines ist weniger ein „Feuerwerk“ als eine saubere, pragmatische Lösung: Air Europa gewinnt Luft zum Atmen und kann den teuren Staatskredit loswerden. Turkish sichert sich Zugang zu einem Premium-Startplatz in Madrid samt Brücke nach Lateinamerika – ohne die politischen Fallstricke einer Komplettübernahme. Und der Markt behält einen eigenständigen Wettbewerber, statt eine weitere Integration in die Großsysteme von IAG, Air France-KLM oder Lufthansa. Entscheidend wird nun, wie die Behörden den Minderheitsdeal und mögliche kommerzielle Absprachen bewerten – und ob die Partner die neue Dreiecksbeziehung (Globalia/IAG/Turkish) operativ mit Leben füllen. Gelingt das, könnte Air Europa von der ewigen Übernahmesaga in eine Wachstumsstory umschalten.
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